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Postkolonialismus ist das Stichwort, dass mir dazu einfällt. Nicht bös gemeint von Seiten der Entscheidungsträger oder Absicht, sondern schlicht Gewohnheit. Die Gewissheit, dass wir im globalen Norden schon richtig handelnd und sich die Menschen des globalen Südens halt anpassen sollen. Kein Bewusstsein für die zugrundeliegenden Machtstrukturen. Ich kann nur den Kopf schütteln darüber.
Ich schäme mich für die postkoloniale Arroganz und Ignoranz unserer Gerichte.
Ich weigere mich, mich fremd zu schämen. Wer sich schämen soll, sind die arroganten und (entfernt) Personen, die nicht mit einem Brett, sondern mit einem dicken Balken vor dem Kopf ihre so wichtige Stelle besetzen und dann eine derart katastrophale Arbeit abliefern. (Siehe auch Kommentare zu «Bis dahin berichten wir weiter.»)
edit: beleidigenden Ausdruck entfernt (um nicht meine Empörung Kritik auszusetzen)
Ich bin sprachlos wie auch manche Gerichte einfach Dienst nach Vorschrift machen! Ich schäme mich dafür dass das ausgerechnet in der multikulturellen, reichen, neutralen Schweiz passiert.
Die formaljuristischen Gründe wirken vorgeschoben und überzeugen nicht. Und bitte: wie sollte einem Bundesstrafgericht die internationale Bedeutung dieses Verfahrens nicht klar sein? Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, dass die eigentlichen Gründe – wie auch andere KommentatorInnen angedeutet haben – darin liegen, dass zu viele internationale Aufmerksamkeit nicht erwünscht ist. Wir sind ja neutral und möchten es mit den Autokraten dieser Welt nicht verderben und möchten unsern Ruf als Hort für Gelder (fast) jeglichen Ursprungs nicht angekratzt wissen.
Ein Lichtblick ist immerhin, dass die Bundesanwaltschaft hier offenbar etwas Gegensteuer geben will.
Wieder einmal wird deutlich, dass Recht und Gerechtigkeit zwei unterschiedliche Dinge sind.
Ohnehin beschleicht mich immer wieder das Gefühl, das Recht sei in erster Linie dazu da, einer Gruppe von Leuten ein komfortables Einkommen zu generieren, ohne dass diese sich über Gebühr anstrengen müssen.
Wie man auf den absurden Gedanken kommen kann, es sei unerheblich, dass der Angeklagte versteht, was ihm vorgeworfen wird, kann ich nicht nachvollziehen.
Für mich kann das nur Faulheit und Arroganz der Richter und Beamten sein.
Man fragt sich ja schon, was die Verantwortlichen sich überlegt haben. Soll die Schweiz nun, wieman es immer gerne für das Land in Anspruch nimmt, Teil der internationalen Gemeinschaft sein, wenn es um die Wahrung und Durchsetzung der Menschenrechte geht - oder gilt das bloss für Aussenwirtschaftsinteressen?
Ich bin sprachlos. Ich bin Primarlehrerin. Für Gespräche mit fremdsprachigen Familien kann ich immer eine Übersetzerin zuziehen. Diese wird von der Schule bezahlt. Für die Bevölkerung aus Gambia und darum für deren Journalisten ist eine Übersetzung unabdingbar. Und sowieso auch für den Angeklagten. Dieses Gerichtsverfahren: wichtig für die Welt,den Weltfrieden ist ohne Übersetzung viel Aufwand für fast nichts. Danke,Republik für die Aufdeckung!
Ein groessenwahnsinniges Bezirksgericht macht auf Weltgericht... eine simultane oeffentliche Uebersetzung wäre das absolute Minimum um ueberhaupt jemanden zu erreichen. Das war doch das urspruengliche Ziel eines Weltgerichtes. Was zur Provinzialitaet noch fehlte waeren Huehner im Gerichtssaal.
Einmal mehr beweist das Bundesstrafgericht seinen Ruf als Provinzbehörde. Die Vernuft bleibt jeweils am Gotthard-Nordportal kleben und schaffts nicht bis ins Tessin hinunter.
In diesem Fall scheint mir "Das Nordportal" wohl eher an der Türe des Gerichtsaals in Bellinzona zu liegen. Carla del Ponte und Dick Marty haben/hatten ihre Wurzeln ebenfalls im Tessin. Auch bin ich mir nicht sicher, dass ein Strafgerichtsprozess mit internationaler Tragweite in der Deutschschweiz, vernünftiger geführt würde.
Das ist ja kein Tessiner Gericht. Aber es liegt im Tessin. Und das scheint ein Problem zu sein. Die finden nur schwer gutes Personal, das aus der Deutsch- und Westschweiz dorthin will.
Gibt es denn Grund zur Hoffnung, dass die Gerichte nördlich und westlich von Bellinzona mehr Weitblick hätten in so einem Fall?
Eine berechtigte Frage. Vielleicht? Bellinzona scheint aber in vielerlei Hinsicht ein etwas verhaltensauffälliges Gericht zu sein.
Oje, wie peinlich….! Hoffentlich bringen sie den Prozess zumindest auf Deutsch halbwegs professionell und der Bedeutung dieser Angelegenheit angemessen über die Bühne! Das sind sie allen Beteiligten schuldig, und in diesem Fall sind das sehr viele, vermutlich existentiell betroffene Menschen!
Julian Assanges Anhörung in London im Februar ist übrigens teilweise ähnlich gelaufen. Sie mussten halt noch etwas innovativer sein, da die Prozesssprache Englisch war. Die haben den kleinsten Gerichtssaal gebucht, mit einer unbrauchbaren Verbindung in einen zweiten Saal, mit welcher es nicht möglich war, dem Prozess zu folgen. Die Presse wurde dann zusätzlich noch so weit weg von den Lautsprechern gesetzt wie möglich. Immerhin war Rebecca Vincent von Reporter ohne Grenzen im tatsächlichen Gerichtssaal zugelassen.
Julian Assange selbst konnte dem Prozess wenn überhaupt nur via Telefongesprächen mit seinen Anwälten folgen. Sein miserabler Gesundheitszustand (z.B. Schlaganfälle, wegen starkem Husten gebrochene Rippen aufgrund Oesthoporose wegen z.B. Vitamin-D-Mangels), auf Folter in Grossbritannien's Guantanamo zurückzuführen, wurde von etablierten Medien bezweifelt, als ob er ein Simulant wäre oder so, der einfach nicht am eigenen Prozess anwesend sein will.
Augusto Pinochet wurde in London übrigens nach zwei Jahren Hausarrest aus "humanitären" Gründen freigesprochen. Dort haben die Schlaganfälle dann offenbar gezählt.
Ein international beachteter Strafprozess in der angeblich mehrsprachigen Schweiz ohne Übersetzung für den gambischen Angeklagten und Journalisten aus Gambia und anderen Ländern?! Ich schäme mich im Ausland für die extrem schäbige und provinzielle Visitenkarte, die das Schweizer Bundesstrafgericht hier abgegeben hat. Da haben ein paar Bundesrichter und Gerichtsbürokraten offensichtlich nicht kapiert, welche Aufgabe sie sich zugemutet haben. Ich schäme mich vor allem auch vor den beiden gambischen Medienschaffenden, deren Reise zum Prozess ich mit unterstützt habe – ihre Anwesenheit war eine entscheidende Voraussetzung für eine umfassende Berichterstattung im Land, in dem die zu beurteilenden Greueltaten begangen wurden. Was nützte ihre Anwesenheit, wenn sie keine offizielle Übersetzung erhielten?
Ich kann nur hoffen, der Protest gegen das altertümliche Verhalten des Bundesstrafgerichts sei so stark und nachhaltig, dass es sich das kein zweites Mal erlaubt!
Einmal mehr eine Fehlleistung des Bundesstrafgerichts. Für ein Bundesgericht agitiert es völlig provinziell. Jedes kantonale Gericht kann das besser.
Die Umstände, dass sich ein schweizer Gericht in einem internationalen Fall weigert, eine Übersetzung zur Verfügung zu stellen ist peinlich und kleinkariert. Und es zeigt auf, wie wir in der Schweiz wirklich keine Ahnung von dem Leid haben, welches diesen Menschen widerfahren ist.
Ich habe viele Jahre in Kambodscha gelebt. Zwischen 1976 und 1979 wurden ca 2 Millionen Menschen in einem Genozid der roten Khmer umgebracht. Eine wirkliche Aufarbeitung hat nie stattgefunden. Die internationale Gemeinschaft investiert viel Geld in ein internationales Gericht in Phnom Penh und versucht unter hohem politischem Gegenwind die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen. Mit mässigem Erfolg. Kein Wunder, denn die Hälfte der amtierenden Regierung war dazumal auf der Täterseite und sind nicht an Verurteilungen interessiert. Bis jetzt wurden 3 (!!!) Menschen für den Tod dieser 2 Millionen verurteilt. Weitere Prozesse werden verhindert. Weshalb ist das wichtig? Als die dritte Person verurteilt wurde, ging eine Welle der Erleichterung durchs Land. Eine Verurteilung bringt keine Leben zurück, aber es zeigt den Opfern, dass ihr Leiden anerkannt und öffentlich als unrecht deklariert wird. Es geht hier nicht nur um die Individuen, sondern um den Heilungsprozess in der Gesellschaft. Um das hinter sich lassen und den Neuanfang.
Während dem Prozess ist das ganze Land vor dem Bildschirm, resp. am Radio gesessen.
Noch einmal: Dass das Schweizer Gericht eine Übersetzung unterlässt, ist peinlich und zeugt davon, dass man kein Gespür hat, was so einer Gesellschaft widerfahren ist und welche Chance so ein Prozess für eine geschädigte Bevölkerung sein kann. You can do better, Switzerland.
In den Artikeln und der Republik wie in den Dialogbeiträgen wird der Fakt der mangelnden Uebersetzung erwähnt mit möglichen Gründen, die wir interpretieren müssen.
Es sind Gründe von Postkolonialismus über die Neutralität, nicht auffallen wollen, bis zu Finanzen, Schikanen und Provinzialität.
Da die Republik schon früher berichtet hat, diese und Verleger:innen auch die Medienschaffenden unterstützt haben, frage ich die Republik an, ob sie nicht diesen Gründen nachgehen kann, damit wir wirklich erfahren, was dahintersteckt.
Durch eine Freundin weiss ich, dass dieser Prozess in Gambia sehr besprochen wird, hohe Wellen wirft und Hoffnungen weckt.
Gerne bitte ich um mehr Recherche und erstmal eine Antwort, ob dies möglich ist.
Vielen Dank
Liebe Anonym 3, Sie haben natürlich recht: Welche konkreten Überlegungen tatsächlich den Ausschlag dafür gaben, dass auf eine weiterführende Übersetzung verzichtet wurde, wissen wir nicht. Und auch ich fände es sehr spannend, mehr dazu zu erfahren - zumal die Frage sowohl in diesem Fall (falls er wie erwartet weitergezogen werden wird) wie auch in kommenden Weltrechts-Fällen wieder zu reden geben wird. Wir werden am Thema dran bleiben. Mit herzlichem Gruss, Timo Kollbrunner
Republik AG
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