Liebe alle
Mit der Hoffnung ist es so eine Sache. Wir sehnen uns danach. Und wenn wir sie haben, ist sie uns suspekt.
Im Angesicht einer überwältigenden Bedrohung wie der Klimakrise ist es die Hoffnung, die Verzweiflung und Angst und Wut in eine positive Richtung lenkt. Wer Hoffnung hat, hält eine bessere Zukunft für möglich. Wer Hoffnung hat, weiss, dass es sich lohnt, weiterzukämpfen. Ohne Hoffnung bleibt nur Ohnmacht.
Gleichzeitig schwingt da immer der leise Verdacht (und manchmal auch der explizite Vorwurf) mit: Wer hofft, weigert sich schlicht, den Tatsachen ins Auge zu blicken. Sei nicht so naiv!
Die Reaktionen auf den Text «Sie sehen schwarz in der Klimakrise? 10 neue Betrachtungen, die Hoffnung geben» von Rebecca Solnit spiegeln diese Ambivalenz gut.
«Wunderbar und positiv ansteckend», «so voller Mut und Hoffnung, dass er sehr guttat angesichts des täglichen Zynismus», fanden ihn die einen. «Tut gut, die Brille zu wechseln und sich selber als handelnder Mensch zu begreifen.»
Anderen war der Text «zu blumig», oder sie bezeichneten Hoffnung als «Schönfärberei» oder «Realitätsverweigerung».
Wohin also mit all den diffusen Gefühlen? Zu Nikolaj Schultz vielleicht.
Um den jungen dänischen Soziologen ist ein regelrechter Hype entstanden. Die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer etwa beschreibt sein Buch «Landkrank» als «radikal hoffnungsvoll».
Er selber sagt erst mal: «Als Soziologe ist es nicht meine Aufgabe, Hoffnung zu stiften oder Auswege aufzuzeigen.»
Und doch gelingt ihm genau dies, wie unser Kollege Daniel Graf in seinem Essay zu Schultz schreibt: Denn nachhaltige Hoffnung entstehe nicht aus falschem Trost oder Realitätsverweigerung, sondern aus einem verklärungsfreien Blick auf den Ernst der Lage.
Die Gefühle, die dieser verklärungsfreie Blick auslöst, fängt Schultz ein und gibt ihnen einen Namen: «landkrank».
«So nenne ich das Gefühl», sagt Schultz, «wenn ich an der Klimakrise leide. Es ist, als würde die Erde unter meinen Füssen beben. (…) Die Übelkeit, der Schwindel, wenn man feststellt, dass die zerstörerischen Spuren, die wir alle hinterlassen, am Ende den Menschen in seiner Existenz bedrohen.»
Manchmal beginnt Hoffnung – und damit die Entschlossenheit, sich der Herausforderung zu stellen – da, wo man sein Unbehagen in Worte fassen kann. So wie wenn man für ein mysteriöses Leiden endlich eine Diagnose erhält.
Schultz liefert keine Checklist mit Handlungsanweisungen. Sein Buch bewirkt etwas viel Grundlegenderes: Veränderungsdrang. Damit entlässt uns Schultz aus «Landkrank». Danach ist es an uns. Denn das Problem sind wir. Aber halt auch die einzig mögliche Lösung.
So sind Solnit wie Schulz auf ihre jeweils eigene Art Hoffnungsmacher. Verkürzt lassen sich ihre Kernbotschaften vielleicht so festhalten:
Solnit: Ja, wir können. Schulz: Ja, du sollst.
Und beides zusammen ergibt dann ein trotzig-beherztes: Challenge accepted!
Rebecca Solnit: Sie sehen schwarz in der Klimakrise? 10 neue Betrachtungen, die Hoffnung geben
Das Interview mit Nikolaj Schultz: «Die Grünen sagen: Die Welt geht unter und wir müssen handeln. Das ist langweilig und ermüdend»
Der Essay zu «Landkrank»: Der Hoffnungsmacher
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Aus der Community
5 von 404 Antworten auf die Frage: Wozu fehlt Ihnen der Mut?
«Radikal am Arbeitsplatz Stellung zu beziehen.» – Yves Hueber
«Alleine loszugehen und eine Aktion auf die Beine zu stellen.» – Elena Heinzmann
«An einer Aktionärsversammlung das Wort zu ergreifen.» – Thomas Bolliger
«An Mut fehlt es mir eigentlich nicht. Da steht mir anderes mehr im Weg – zum Beispiel die eigene Bequemlichkeit.» – Sandra Stump
«Ich bin zu alt, um mutlos zu sein.» – Ruth Erat
Liebe Grüsse und bis bald!
David Bauer, Sabrina Weiss
PS: Ein kleiner Ausblick, was Sie in den kommenden Wochen erwartet: Es geht ins Wallis, nach Uganda und auf die Skipiste. Und wir drehen Videos mit Friederike Otto und Stefan Rahmstorf, bei denen auch einige von Ihnen eine Rolle spielen werden.
PPS: Wussten Sie, dass Food-Waste weltweit für so viele Treibhausgasemissionen verantwortlich ist wie ganz Indien mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnerinnen? Oder dass die weltweiten Pro-Kopf-Emissionen ihren Höhepunkt im Jahr 1973 erreicht hatten? Diese und viele weitere bemerkenswerte Zahlen und Grafiken gibt es in der «Annual Presentation on the State of Decarbonization» des Energieanalysten Nat Bullard. Eine Bestandesaufnahme der Welt auf dem Weg zu netto null, vom grossen Ganzen zu vielen kleinen, interessanten Details.
Die Klimakrise ist hier. Die Lage ist ernst. Challenge accepted.
Ein frischer Blick auf die grossen Herausforderungen und auf Menschen, die sie anpacken. Und jede Menge Gelegenheiten, sich auszutauschen, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu inspirieren.
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