Aus der Arena

Das rührende Verständnis der Arbeitgeber

Von Bettina Hamilton-Irvine, 07.06.2019

Die Republik ist ein digitales Magazin für Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur – finanziert von seinen Leserinnen. Es ist komplett werbefrei und unabhängig. Lösen Sie jetzt ein Abo oder eine Mitgliedschaft!

Bei Ringier ist man aufgeschlossen. Der Verlag betont, es sei ihm wichtig, «in einer Gesellschaft zu leben und zu agieren, in der Frauen und Männer die gleichen Rechte geniessen». Deshalb ermögliche man den Mitarbeiterinnen die Teilnahme am Frauen­streik. Nur bitte sollen die Frauen den laufenden Betrieb nicht beeinträchtigen, sondern «als Privat­person» in ihrer Freizeit teilnehmen.

Auch beim Kioskbetreiber Valora hält man die Anliegen des Frauenstreiks für «sehr wichtig». Daran teilnehmen sollen die Kiosk­angestellten dann aber doch lieber nicht. Und wenn, dann müssen sie dafür freinehmen.

Ähnlich sieht es bei Coop aus. Die Mitarbeiterinnen dürfen sich gerne engagieren – «in ihrer Freizeit».

Bei Migros gibt man sich gar nicht erst den Anschein von Toleranz, sondern man ist «überzeugt, dass unsere Mitarbeitenden Verständnis haben, dass der Betrieb weiterlaufen muss». Wer dieses Verständnis trotz allem nicht aufbringen kann, muss frühzeitig um einen Ferientag bitten.

Auf der Gemeinde­verwaltung Frick geht man selbst­bewusst davon aus, dass die Frauen aufgrund der «gender­gerechten Anstellungs­bedingungen» nicht streiken werden. Falls jemand am 14. Juni trotzdem auf die Strasse möchte, will die Verwaltung eine «einvernehmliche Lösung» finden, die nicht zuletzt den Interessen der Gemeinde gerecht wird.

Nun ist dieses ganze Verständnis der Arbeit­geber ja rührend. Vergessen geht dabei aber ein wichtiger Punkt:

Ein Streik ist, wie der Duden weiss, eine gemeinsame Arbeitsniederlegung von Arbeit­nehmern zur Durchsetzung bestimmter Forderungen.

Ein Streik ist also immer auch eine Rebellion, ein Sich-Auflehnen. Man verweigert eine gewisse Zeit lang die Arbeit, um Aufmerksamkeit für ein Anliegen zu generieren. Und um zu zeigen, dass der Arbeit­geber in gröbere Schwierigkeiten geriete, wenn er einen nicht hätte.

Das Problem dabei: Ein Streik an einem freien Tag ist kein Streik mehr. Und den Arbeit­geber höflich um Erlaubnis zu fragen, ob man bitte freinehmen dürfe, um zu streiken, ist ein bisschen so, als würde ein Jugendlicher seine Eltern fragen, ob er heimlich rauchen dürfe (natürlich mit dem Unterschied, dass das heimliche Rauchen, im Gegensatz zum Frauen­streik, eine Rebellion ohne Inhalt ist).

Wer einen Ersatz für sich organisiert und damit sicherstellt, dass der laufende Betrieb nicht beeinträchtigt wird, verfehlt das Ziel ebenso. Denn auf diese Weise bemerkt ja niemand, dass eine Frau fehlt.

Natürlich kann man auch Harmonie zur obersten Priorität erklären, Konfrontationen aus dem Weg gehen und lieber Ferien eingeben am Frauen­streik­tag. Oder regulär weiter­arbeiten und sich dafür solidarisch ein Streikarmband anziehen.

Nur: Dann nimmt man einfach entweder an einer Kund­gebung teil, oder man arbeitet mit einem farbigen Bändeli am Arm. Beides ist nett, erzeugt aber zweifels­ohne keinen Druck. Nicht zufällig sind die erfolg­reichsten Streiks in der Geschichte nicht diejenigen, bei denen die Arbeiter sich höflich mit ihren Chefs hinsetzten und darüber sprachen, wie sie den laufenden Betrieb aufrecht­erhalten könnten. Sondern diejenigen, bei denen es ziemlich ungemütlich wurde.

Klar, je nach Branche, in der man arbeitet, bewegt man sich mit einem Streik am 14. Juni rechtlich in einer Grauzone. Legal ist der Streik, wenn er von einer Gewerkschaft getragen wird. Und wenn den Arbeit­gebern ein Katalog mit Forderungen übergeben werden kann, welche die Arbeits­bedingungen betreffen. Für Journalistinnen ist das beispielsweise der Fall.

Kennt die Branche einen Gesamt­arbeitsvertrag, besteht eine Friedens­pflicht, was die Sache schon etwas heikler macht. Doch betrifft diese nur Angelegenheiten, die auch durch den GAV geregelt werden können. Die Forderung der Frauen, die in der Verfassung vorgeschriebene Lohn­gleichheit durchzusetzen, gehört da kaum dazu.

Ausser Diskussion steht: Ein Streik ist unbequem für beide Seiten. Daher brauchen Streikende immer Mut. Frauen, die bereits 1991 beim ersten Frauen­streik dabei waren, erinnern sich, wie Arbeit­geber im Vorfeld versuchten, ihnen Angst einzujagen. Vielen wurde mit fristloser Kündigung gedroht. Doch der Blick zurück zeigt auch: Je mehr Frauen sich am Streik beteiligen, desto sicherer sind sie. Wenn die Bewegung, wie damals, von einer Flut von Frauen getragen wird, kann es sich keine Firma leisten, Repressionen gegen Frauen zu ergreifen, die sich für Gleichstellung engagieren.

Einen eleganten Trick, um guten Gewissens streiken zu können, hat Isabel Baumberger erfunden, die 1991 als Mitglied der DRS-3-Programm­leitung für den Frauen­streik mobilisierte. Die Radio­direktion habe damals ebenfalls betont, sie unterstütze den Streik moralisch, aber man müsse dafür trotzdem einen Freitag aufschreiben, erinnert sie sich. Das war glücklicherweise kein Problem, denn der 14. Juni fiel tatsächlich auf einen Freitag – genau wie dieses Jahr auch. Problem gelöst. Ein Freitag für die Frauen.

Unterstützen Sie unabhängigen Journalismus mit einem Monatsabonnement oder einer Jahresmitgliedschaft!