Die Natur ist so gross, wer will sie mit einem Begriff, mit Worten erklären? Tom Huber/13Photo

Der Fundamentalist, der das Stromgesetz bekämpft

Wie Philippe Roch, der frühere Umweltchef des Bundes, nach Erlösung sucht.

Von Angelika Hardegger, 20.04.2024

Vorgelesen von Egon Fässler
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Eigentlich hatte sich Philippe Roch verabschiedet von dieser Welt. Mit 55 Jahren, als er in frühe Rente ging.

Er hätte Umweltchef der Uno werden können. Kofi Annan hatte ihn abgesegnet; der damalige Inhaber des Postens drängte ihn zum Amt. «Es wäre die Krönung der Karriere gewesen, Umweltchef du monde!», so erzählt er das. Doch Philippe Roch hatte Sehnsucht nach Natur.

Nach Mystik und nach dem Übersinnlichen.

Er zog sich zurück in ein Dorf bei Genf, Russin, und in ein Haus am Rand des Dorfs; dorthin, wo der Wald beginnt. Hier lebte er lange ohne menschliche Begleitung, aber in Gemeinschaft mit einer Schwarz­pappel, die gegenüber seiner Haustür wurzelt. «Sie ruft mich, wenn ich mal vergesse, sie zu begrüssen», sagt er.

Jetzt stellt er sich vor die Pappel, sagt «cher ami», hallo, lieber Freund. Wippt sich mit den Füssen in ein leichtes Hohlkreuz, erhebt die Arme wie ein Priester, der den Segen empfangen will. Er schliesst die Augen. Murmelt Unverständliches. Bevor er die Pappel verlässt, tätschelt er ihr den Stamm, als lobe er ein Pferd.

Er wird später erklären, er wisse auch nicht, wie erklären.

Aber er sagt, er spüre, dass etwas verkehre zwischen dem Baum und ihm. Im Übrigen liessen die Bäume einen näher ran, habe man sie zuvor schon einmal begrüsst.

Und natürlich beginne ich da zu verstehen, warum Philippe Roch mit 74 Jahren zurückkehrt. Warum er, der doch längst in anderen Sphären lebt, etwas so Weltliches bekämpft wie das «Bundesgesetz über eine sichere Strom­versorgung mit erneuerbaren Energien».

Roch leitete einst den WWF und später das Bundesamt für Umwelt. Er war ein Grosser im Schweizer Umweltschutz – jetzt kämpft er gegen alle, auf die er früher zählte. Gegen alle grossen Umwelt­verbände. Gegen die Grünen, die SP, den Bund. Er überzeugte eine kleine Umwelt­stiftung, die Fondation Franz Weber, die Kampagne gegen das Gesetz zu führen.

Er zählt die Bäume zur Familie, und holzt man sie ab, etwa um ein Windrad zu bauen, verletzt ihn das persönlich.

Der Vertriebene

Die frühesten Kindheits­erinnerungen von Philippe Roch führen in ein Paradies, aus dem er dann vertrieben wurde.

Es gab Bäume. Sie standen im Garten der Familie in Grand-Lancy bei Genf, er betrachtete und berührte sie. Es gab Hecken und eine alte Mauer, ein Relikt aus einer früheren Zeit, glaubt er, und es gab Eidechsen und Flechten und Insekten auf der Mauer. Er lief an ihr entlang, wenn er sonntags in die Kirche ging.

In seiner Erinnerung taucht ein Gottes­dienst auf. Es war Karsamstag und sie sangen die Wieder­auferstehung Christi herbei. Als er das erzählt, singt er wie ein Priester, die Buchstaben dehnend, vor: «Lumen Christi». – «Und wir antworteten: ‹Deo gratias, Dank sei Gott.›» In Rochs Erinnerung sangen sie, bis Christus auferstanden war. «Da erstrahlte die Kirche in hellem Licht.»

Aber dann wurde die alte Mauer vor seinem Zuhause abgerissen. Die Gemeinde wollte die Strasse, die am Haus vorbei­führte, verbreitern. Ein paar Jahre später fielen im Garten auch die Bäume. Philippe Roch war damals noch ein Kind. Er glaubte an die Sünden.

Mit Mitte zwanzig liess er eine Ehe, die er vor Gott geschlossen hatte, scheiden. Er sagt, er habe gewusst, dass er von nun an nicht mehr in die Kirche durfte.

Also entwarf er sich im Dorf Russin, wo er Zuflucht fand, eine eigene Kapelle.

Sie liegt unter dem Dach, und er zieht die Schuhe aus, bevor er eintritt.

«Voilà», sagt er. Das ist sie.

Ein halber Dachboden, belegt mit Teppichen. Im Giebel ein grosses Fenster, davor ein Holzmöbel, eine Art Altar. Er hat Kerzen, Schalen und viele Figuren. Als erste stellt er die Maria vor. Eine grosse Statue in einer Ecke; sie hat ihn im Blick, wenn er zum Fenster hinaus meditiert. Es gibt auch einen heiligen Philipp und einen heiligen Benedikt, aber den prominentesten Platz in seiner «petite chapelle» gab Roch dem französischen Jura.

Er thront vor dem Fenster. Roch nennt ihn seinen «heiligen Berg».

Er sagt, er spüre die Energie zirkulieren, wenn er sich in seinem Sitzsack zentriert. Frankreich hatte einst überlegt, auf dem Hügel Windräder zu bauen. «Sie haben damals verzichtet», sagt er, «aber …»

Wer weiss, was noch kommt?

Philippe Roch fürchtet sehr um seine Kirche.

Die Natur ist für Philippe Roch derart gross, dass er viele Begriffe braucht, um sie zu fassen. Sie sei seine «Familie», sagt er. Seine «Wirbelsäule», seine «ursprüngliche Mutter», seine «Ressource», sein «Schicksal», sein «Unendliches», «Ausdruck Gottes».

Zusammengefasst ist die Natur für Philippe Roch das Aller­grösste, was sehr bemerkenswert ist für einen, der sich wissenschaftlich dazu ausbilden liess, sie in ihre kleinsten Teile zu zerlegen.

Roch studierte Biochemie. Die Doktor­arbeit schrieb er über chemische Prozesse in den Nerven. Da war er Mitte zwanzig, hatte bereits den Genfer WWF gegründet und politisierte dazu noch im Kantons­parlament für die CVP. Als er kurz davorstand, das Doktorat zu beenden, wurde er vom Direktor des WWF Schweiz gebeten, bei der Suche nach einer Leitung für die West­schweiz zu helfen. «Da sagte ich ihm sofort: ich!»

Philippe Roch bei sich zu Hause in Russin. Yvain Genevay

Das erzählte er vor Jahren einem Journalisten, der ihn für ein auto­biografisches Interview besuchte. Er sei ein Getriebener gewesen. Getrieben von der Sorge um die Natur, jenes «irdische Paradies», so nannte er sie einmal, das der Mensch dabei sei, «in eine Hölle» zu verwandeln. Getrieben auch von der Sorge um sich selbst. Er wollte eine Rolle spielen. Persönlichkeit sein. Das überkommt ihn manchmal noch heute.

«Das erste CO2-Gesetz, das war ich», sagt er.

Das Gesetz zur Gentechnologie: eigentlich auch. Er bedauert noch immer, dass er aus dem berühmten Film über die Entstehung des Gentechnik­gesetzes («Mais im Bundeshuus») einfach so heraus­geschnitten wurde.

Als das Gesetz entstand, Anfang der Nuller­jahre, war Roch auf dem Zenit seiner Macht. Und schon damals überzeugt, dass die Wissenschaft nur einen Teil dieser Welt verstehen kann und erklären.

Er erzählt, wie er zu jener Zeit entscheiden musste, ob ein genveränderter Weizen versuchs­halber angebaut werden darf. Er sei aus wissenschaftlicher Sicht kritisch gewesen, ein Mitarbeiter dafür. Er habe den Mitarbeiter gebeten, ihm alle Pro-Argumente vorzutragen. Und als er alles Rationale beisammen­hatte, suchte er drei alte Eichen auf.

Er habe sie begrüsst, sich hingesetzt und «es fliessen lassen».

Als er nach Hause ging, legte er sich schlafen, «und als ich erwachte, war es klar! – krrrt!» – da imitiert er offenbar einen Blitz.

«Es stand vor mir geschrieben, im Himmel: ‹Du musst Nein sagen.›»

Er sagt, er habe nie wieder gezweifelt.

Der Alarm

Kurz nachdem Roch das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft verlassen hatte, wurde dem Amt der Name gekürzt. Der «Wald» und die «Landschaft» wurden gestrichen – was er, sagt Roch, immer bedauert habe. «Das Poetische fiel weg.»

Er begann in Pension zu schreiben. Er möge es, schöne Sätze zu formulieren, sagt er. Er verbrachte eineinhalb Jahre mit dem Natur­romantiker Jean-Jacques Rousseau, weil er ihm, wie er fand, ein Buch zum 300. Geburtstag schreiben sollte. «Am Ende sass er bei mir in der Küche. In seinem grünen Mantel. Hat auf mich gewartet, als ich vom Zimmer runterkam, da haben wir uns unterhalten.» Philippe Roch weiss, das war nicht real, aber er meint das trotzdem ernst.

Er schrieb auch über den Genfer Naturalisten Robert Hainard, als dessen Schüler er sich versteht. Er zitiert Hainard so feierlich in seiner Küche, als sässe noch anderes Publikum da: «Wenn man die Natur zerstört, zerstört man mein Unendliches.»

Das sei, als würde bei einem zu Hause eingebrochen. Als würde ein Fenster eingeschlagen. «Dann empfinden Sie das doch auch.»

Weil bei ihm in Russin schon dreimal eingebrochen wurde, hat Roch eine Alarmanlage im Haus. Er stellt sie jedes Mal scharf, wenn er das Haus verlässt, und kommt er dann zurück und öffnet die Tür, piepst der Alarm. Man hört ihn auch piepsen, wenn Roch das Wort «Beton» sagt. Verächtlich, abschätzig. Eigentlich schimpft er es.

Und man hört den Alarm piepsen, wenn Roch von Roger Nordmann spricht. Nordmann ist der einfluss­reichste Energie­politiker der SP und hat das Gesetz zur Förderung der erneuerbaren Energien geprägt.

Wie Roch hat auch Nordmann über Ökologie geschrieben. Das jüngste Buch enthält kaum schöne Sätze, dafür viele Zahlen. Es ist ein Buch, das die Kraft von Sonne, Wasser und Wind in Terawatt fasst. Was eine grosse Grösse ist. Aber viel zu klein, um die Kraft der Natur in Rochs Welt zu fassen.

Nordmanns Buch war in der ersten Auflage innert Tagen ausverkauft. Roch hat seine acht Bücher, sie tragen Titel wie: «Die Natur als spirituelle Ressource», oder: «Meditieren in der Natur – Wie man sich mit der Seele der Welt verbindet», auf dem Küchen­tisch paratgelegt, um sie mir mitzugeben. Es ist nicht so, als wären viele andere interessiert.

Am Tag darauf legt er noch ein Büchlein mit Mandalas dazu.

Er habe zu jedem Mandala einen Satz geschrieben, erklärt er, «ein Konzentrat meiner Philosophie».

Er blättert das Büchlein durch, greift Worte heraus – «Demut», «Vergebung», «Teilen», «die Liebe».

Er grübelt selber noch, wie es ihm irgendwie gelingen kann, so was einzubringen in den politischen Kampf.

Eigentlich wollte er als Pensionär Bauer werden. Es gibt im Grand-Lancy seiner Kindheit noch Überreste des bäuerlichen Familien­zweigs; eine alte Scheune aus Holz, vor der der Haupt­verkehr dröhnt. Er war fest entschlossen, den Faden aufzugreifen.

Er kaufte Schafe und liess sie im Wald weiden, der an sein Haus grenzt. Er trieb sie über schlammige Pfade auf eine Lichtung, «wie ein Hirte», schwärmt er. Er kaufte sich ein Pferd und liess sich in die Kutschenfahrt einführen. «Mit Pferden arbeiten, wie ein Traum!»

Er erwachte jäh im Krankenhaus. Ein epileptischer Anfall, ausgelöst durch einen Hirntumor.

Der Tumor wurde entfernt, aber der Krebs kommt seither immer wieder.

Roch verkaufte das Pferd, gab die Schafe weg. Doch er kämpfte Jahre dafür, dass ein Feldweg, der vom Dorf hinab zu seinem Haus führt, Feldweg bleibt. Ungeteert; ein Geschotter mit einem Streifen Grün in der Mitte. So kann Roch in seinem Subaru nach Hause holpern und sich doch fühlen wie der Bauer, der er nicht werden konnte.

Er hätte grössere Pläne gehabt. Ein agrospirituelles Zentrum. Auf einem echten Bauernhof, vielleicht sogar ein ganzer Weiler. Eine Kommune, kann man sagen, oder auch: ein Kloster.

Eine von Rochs Schwestern lebt in einem katholischen Orden. Sie ging in jungen Jahren auf Mission, hinaus in die Welt, «das war ein ziemlich internationales Leben», erzählt er. Heute sei sie pensioniert. Lebe im Kloster umsorgt von den Schwestern des Ordens.

Abgeschottet von der Zivilisation. Unter Gleichgläubigen.

«Ich glaube, sie hat das beste Leben gewählt», sagt Roch.

Er erzählt das an einem Abend, er hat gekocht. Brennnessel-Bärlauch-Suppe und ein Ratatouille, «alles aus dem Garten». Zum Apéro serviert er Kefir, was gut sei für die Darmflora, wie seine Freundin sagt. Sie lernten sich auf einem spirituellen retreat kennen. Wenn es geht, meditieren sie zweimal täglich.

Sie lehrt Yoga und erzählt von Ostern. Da sassen sie mit Freunden oben in der Kapelle, vor dem Jura, und sangen Taizé-Lieder.

Sie assen Lammgigot, und als die Freundin das erzählt, zitiert sie eine Passage aus der Bibel, die davon handelt, wie ein gemästetes Kalb geschlachtet wurde. Sie zitiert feierlich, «das Kalb wurde für ein Fest geschlachtet. Zum besonderen Anlass», sagt sie. Und Roch sagt: «C’est ça.»

Genau so soll das sein in der ökologisch-spirituellen Gesellschaft, die er herbeisehnt.

Dort herrscht eine Ökologie, in der die Menschen aus Liebe verzichten. Weil sie sich zugehörig fühlen zu einer Weltseele, die auch die Bäume, die Steine und die Tiere umfasst.

Er hat sich den Katholizismus mit einem Natur­glauben ersetzt. Er hat dafür ein Glaubens­bekenntnis geschrieben, sogar einen Vorschlag für ein «universelles Gebet». Er empfängt ab und zu eine Gruppe bei sich, die mit ihm meditiert. Dann sagt er auch ein paar Worte. Aber das letzte Mal, als die Gruppe da war, liegt nun auch schon etwas zurück.

Was ihm noch fehlt, ist im Wesentlichen die Gemeinde.

Weniger von allem

Als Roch mich zum Bahnhof fährt, sind alle Parkplätze besetzt. Das macht ihn etwas nervös. Wir stehen vor einer Tiefgarage, die noch frei wäre, aber er wendet den Subaru und fährt zurück in eine Seiten­strasse, die er zuvor schon abgefahren hatte. «Eine Frage des Prinzips», sagt er. Als die Gemeinde die Tiefgarage bauen wollte, hatte er sie bekämpft.

Er kämpfte auch gegen die Flugzeuge, die über Russin in den Himmel steigen. Gegen die Lautsprecher auf dem Fussball­platz. Er ärgert sich über den Lärm einer Mühle, die im Wald zu hören ist. Schon vor Jahren wäre er an einen stilleren, noch entlegeneren Ort geflüchtet, wäre seine Tochter nicht zu jung gewesen. Er glaubt, noch Aufgaben zu haben in dieser Welt.

Zu den Aufgaben zählt Roch die Verkündung der Botschaft, dass die Menschheit übervölkert sei. Er weiss, er macht sich damit unbeliebt.

Einmal sagte er, die Menschheit sei «der Krebs der Erde». Eine radikal menschen­feindliche Aussage – er steht noch heute zu ihr.

Hingegen bereut er, dass er vor zehn Jahren die Ecopop-Initiative zum «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebens­grundlagen» unterstützte. Nicht weil er den Inhalt nicht mehr teilen würde. Sondern weil er glaubt, die Initiative habe dem Diskurs geschadet.

Er wurde damals als «Rassist in Birkenstock» beschimpft. Das habe ihn, sagt er, verletzt. «Wenn jemand nicht rassistisch ist, bin das ich! Ich liebe andere Kulturen!»

Er liest viel über ihre Spiritualität. Ihre Mystik. Ihre Traditionen. Da erzählt er vom Volk der Kogi, das er vor zwanzig Jahren am Rand einer internationalen Umwelt­konferenz besuchte. Wie er vom kolumbianischen Umwelt­minister mitgenommen wurde in ein Hochtal. Wie man von den spirituellen und politischen Führern einer Kogi-Gemeinschaft empfangen wurde. Die Führer hätten gesagt: «Wenn ihr Minister der Umwelt sein wollt, müsst ihr spirituelle Minister der Umwelt werden.»

Er glaubt, er sei der einzige anwesende Diplomat gewesen, der die Botschaft verstanden habe.

Er schickt später noch einen Text hinterher, den er damals zur Begegnung verfasste. Darin schildert er, wie er «sofort von der Schönheit der Häuser und Gesichter, von der Freundlichkeit und der fröhlichen Einfachheit der Bevölkerung» ergriffen gewesen sei. Ein Satz, wie ihn Rousseau, der vor 300 Jahren dachte und schrieb, hätte geschrieben haben können.

Auch darum verbrachte Roch anderthalb Jahre mit Rousseau. Er hat eine Schwäche für das, was Rousseau den «edlen Wilden» nannte. Er teilt die Überzeugung, dass der Mensch von der Zivilisation verdorben wird.

Er sagt: «Wenn immer mehr Menschen im Beton, in Hoch­häusern, in Städten leben, separieren sich Mensch und Natur immer weiter. Und ich glaube, die Menschen werden verrückt.»

Er will diese Zukunft nicht. Will nicht immer mehr Beton. Immer mehr Hochhäuser. Immer mehr Städte. Immer mehr Strom. Er will weniger von allem.

Die Magie des Lichts, der Stille. Fabian Hugo/13Photo

Er hat sich vorgenommen, das zu betonen zum Stromgesetz: dass das Gesetz das Prinzip des Wachstums nur fortschreibe, ja eigentlich festschreibe. «In der Illusion, unser Lebensstil könne ökologisch werden, wenn wir nur genug Technologie dafür haben», wie er sagt.

Seine Ökologie der Liebe ist auch eine des degrowth. Eine Schrumpfkur. Und eine, die neben dem Brutto­inlandprodukt auch die Menschen umfasst.

«Schauen Sie Indien an: Viermal so viele Menschen wie vor 80 Jahren. Und arme Leute, nur wenige Reiche.» Auch global: 2,5 Milliarden Menschen, die in Misere lebten. Kein würdiges Leben führen könnten. «Das ist ein Drittel oder Viertel der Menschheit – so viele Menschen, wie die ganze Erde zur Zeit des Ersten Weltkriegs umfasste.»

Er zitiert den Club of Rome, der 1972 in seinem berühmten Bericht voraussagte, die Menschheit werde zusammen­brechen.

Roch erwartet diesen Zusammen­bruch. Er hat die Ankunft der nächsten Zivilisation bereits ausgerufen.

In einem seiner Bücher («Es ist gewissermassen mein Katechismus») erzählt er die Geschichte der Menschheit als eine Geschichte der Sünde: Der Mensch lebte zunächst in einer verzauberten Welt, in der er «voll und ganz Teil einer Natur» war – im Paradies. Darauf folgte die Korrumpierung: Der Mensch machte sich die Natur untertan. In der Gegenwart: Das Jüngste Gericht. Der Zusammen­bruch der Menschheit.

Man könne noch versuchen, den Zusammen­bruch zu verhindern, sagt Roch. Und gelinge es, den Bruch abzufedern, das Leid zu mildern, sei das gut. «Ich mache da gerne mit.»

Aber vielmehr sieht er seine Rolle darin, «die Samen vorzubereiten» für jene Zivilisation, die folgt.

So viel Natur hinüberretten wie möglich. Aufzeigen, dass die neue Gesellschaft machbar ist. Darum schreibt Roch jetzt auch noch einen Roman.

Der Plot: Eine bürgerliche Familie flüchtet aus Paris, wo das Leben nicht mehr möglich ist. Sie lassen sich nieder in einer Stadt im Süden des Burgunds, die ebenfalls verkümmert ist, und gründen eine neue, ökologische Gesellschaft. Und die Stadt blüht wieder auf.

Ich frage, ob er eine Dystopie schreibe, und er sagt, das könne man so sagen.

Aber er entschied, die Handlung aus der Retrospektive erzählen zu lassen. Von einem alten Mann, der ein Haus im Wald bewohnt. Der Mann war auf der Flucht ein Kind gewesen, und Roch sagt, das Ende habe er schon geschrieben. Wenn er es lese, weine er. «Es ist auch meine Geschichte. Und auch meine Vision.»

Es klingt nach der Geschichte seiner Erlösung.

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